Anmerkung an die Leser: Wer den Hintergund der vor gut einem Jahr ins Leben gerufenen Artikelserie “Erzähle uns von Deinem Kopftuch” nicht kennt, kann diesen hier in unserem Einladungsschreiben nachlesen. Heute hat uns ein neuer Beitrag erreicht, der hoffentlich weitere Leserinnen motiviert uns ihre Geschichte zu erzählen. Die Autorin hat uns gebeten ihren Namen nicht zu veröffentlichen, was wir gemäß unserer Einladung selbstverständlich respektieren. Wir sagen danke und geben das Wort an unsere Leserin:
Ich habe nun wirklich lange überlegt, ob ich mich hier wirklich äußern soll. Die Erfahrung hat mich gelehrt, es als sinnlos zu empfinden. Aber irgendwie mache ichs jetzt doch. Ich bin zwar als amtlich eingetragene Muslimin aufgewachsen, was ungefähr genauso viel heißt wie bei den meisten Christen. Kopftuch trug ich keins. Ich kannte auch niemanden der eines trug. In der Schule galt ich unter den Lehrern als intelligent, emanzipiert und gebildet. Manche Lehrer scheuten Diskussionen mit mir, Lehrer möchten auch nicht gerne bloß gestellt werden. Ich entsprach also auf keinem Fall dem gängigen Bild einer Muslimin. Nach abgeschlossenem Abi verbrachte ich ein Jahr im Heimatland meines Vaters. Das war mein Wunsch, ich wollte die Sprache meines Vaters lernen. “Back to the Roots” sozusagen. Dort begann ich mich zum ersten Mal ernsthaft mit dieser meiner Religion zu beschäftigen und nahm sie aus Überzeugung an. Ich wurde also Muslim. Dazu gehört auch das Hijab.
Seither habe ich viel über Menschen und Vorurteile gelernt.
Als ich nach diesem einen Jahr meine Schule besuchte, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Eine Lehrerin, deren Liebling ich immer war (Emanzen stehen zusammen), sah mich nicht mehr an. Sie war böse auf mich. Eine andere weinte, in ihrem Kopf lief wahrscheinlich gerade der “Nicht ohne meine Tochter”-Film. Ich konnte sie nur beruhigen, indem ich ihr versicherte, dass das alles freiwillig passiert war. Die männlichen Lehrer waren viel relaxter, sie hatten nicht vergessen, dass ich ein Mensch war und nicht ein wandelndes Klischee. Ich finde es immer wieder interessant, wie mein Kopftuch den Charakter meines Gegenüber aufzeigt. Je weniger jemand den Islam und die Muslime persönlich kennt, desto besser weiß er mich zu belehren. Nur Wenige fragen offen und wollen auch zuhören. Die Meisten wollen ihre Vorurteile bestätigt sehen und können nicht akzeptieren, wenn ich dies nicht tue. Viel wird geredet. Von einem auf alle geschlossen. Begeht ein “Muslim” eine schlechte Tat, wird von allen Seiten behauptet, das käme von seiner Religion, das wäre so im Islam. Meistens rechtfertigen ja sogar diese sogenannten Muslime ihre Tat mit dem Islam. Was der Islam ist, wissen die Wenigsten von ihnen. Sie lesen ja weder den Qur’an noch kennen sie die Sunnah (Überlieferung) des Propheten. Wie unfair dieses Verhalten ist, kann man sehr gut erkennen, wenn man die mitwirkenden Personen austauscht. Ein Priester oder auch Laie vergeht sich an kleinen Kindern, folglich sind alle Christen Kinderschänder, das ist so in ihrer Religion. (Warum erkennt man die Falschheit der Aussage hier so deutlich?)
Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass die meisten Menschen den Islam gar nicht kennen wollen und ihre Vorurteile auch gar nicht korrigieren wollen.
Jetzt da ich hier immer mehr wegen meinem Kopftuch angegriffen werde, denke ich, ich werde dieses Land verlassen und in ein sogenanntes islamisches Land gehen, auch wenn die meistens auch nicht wirklich islamisch sind. Aber wenigstens müssen meine Kinder dort nicht sehen, wie ihre Mutter wegen ihrem Kopftuch beschimpft wird.
Abschließend kann ich sagen, ich liebe meine Religion, sie hat mir Erfüllung gebracht, aber die Menschen haben mich größtenteils enttäuscht.
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