Wer sich erinnert, vor wenigen Tagen haben wir mit dem Artikel “Erzähle uns von Deinem Kopftuch” Leserinnen dazu aufgefordert, uns ihre persönliche Geschichte, im Bezug auf das Tragen eines Kopftuches, zu schicken. Hier nun die erste Mail die uns erreicht hat. Wir freuen uns auch über weitere Zuschriften die wir gerne veröffentlichen werden. Wir sagen schon einmal herzlichen Dank, auch an Nasrin, der wir jetzt das Wort geben:
Mein Name ist Nasrin und ich wurde 1967 in Teheran geboren. Also noch vor der Revolution von Ayatollah Khomeini. Die ersten Jahre in der Schule hatten wir noch gemischte Klassen und westliche Kleidung. 1979, mit der Revolution wurden wir nach Geschlechtern getrennt und wir Mädchen mussten auf unsere schöne Schuluniform verzichten. Stattdessen wurde uns auferlegt neue Langarm- Kleider zutragen, bei den Temperaturen in unserem Land war das eine Herausforderung. Ein Jahr später wurde uns das Kopftuch, Hejab, auferlegt. Unsere Erziehung erlaubte uns nicht nach dem „Warum“ zu fragen. Warum müssen wir unsere schönen Haare verstecken?
Warum dürfen wir nicht mehr in den Schulpausen mit unseren Freundinnen Zöpfe flechten und neue Frisuren ausprobieren? Was war an unseren Haaren auf einmal falsch? Waren wir schmutzig wenn wir unsere Haare zeigten, keine gute Mädchen mehr…? All diese Fragen schwebten in unseren Köpfen, aber unsere Erziehung erlaubte uns nicht uns gegen den Älteren (Eltern, Erziehern, Lehrer etc.) zu setzen.
Was auch kaum jemand weiß, und eine eigenartige Stilblüte der Revolution ist: in den Schul- und Kinderbüchern vor der Revolution tragen weder Frauen noch Mädchen ein Kopftuch.
Nach und nach wurden die Schulbücher ersetzt. Wir wurden zum Teil, weil die Druckereien nicht nach kamen, gezwungen in unseren Büchern den darin abgebildeten Frauen einen Hejab aufzuzeichnen. Unsere Bücher seien sittenwidrig, war die Begründung. Warum sollte etwas was vorher durchweg Normal war, auf einmal verboten sein? Kann man Gesetze neu formulieren? Was ist richtig, was ist falsch? Auch darauf fanden wir in unseren Kinderköpfen keine Antworten.
Unsere Eltern waren selbst mit all diesen Fragen beschäftigt. Warum Sie sich nicht zu Wehr gesetzt haben, fragen Sie sich vielleicht. Die Frauen, die es versucht haben, haben mit ihrem Leben bezahlt. Die Mehrheit hat sich gebeugt.
1984 haben ich und meine Familie den Iran verlassen. Ich lebe seither in Deutschland, bin mit einem deutschen Mann verheiratet und, wie er immer sagt, leicht überintegriert.
Meine Mutter hat mir vor kurzem ein wunderbares Geschenk gemacht. Sie gab mir einen kleinen Schatz aus meiner Kindheit zurück. Ohne mein Wissen hat sie damals bei unserer Ausreise aus dem Iran die ganz alten Bilderbücher mitgenommen. Die ohne aufgemalte Kopftücher. Diese Bücher lese ich Abend für Abend unserer kleinen Tochter vor. So wird zumindest abends das Persien lebendig, welches nur noch in meiner Erinnerung existiert. Diese Bücher sind im heutigen Iran verboten.
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