Gestern morgen steckte ich wieder einmal im Verkehrsstau. Am Bürgersteig sah ich eine Gruppe von vier jungen Frauen, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt. Zwei von ihnen trugen lange Kleider und Kopftuch. Die anderen beiden zeigten ihre Beine ebenso wie ihr Haar. Und trotz des äußerlichen Gegensatzes, schienen sie sich bestens zu verstehen. Plötzlich kam mir der Gedanke, wie gerne ich einmal eine Frau, die ihrer Herkunft und Tradition entsprechend, bedeckten Hauptes durch die Straßen zieht, auf eine Tasse Kaffee oder Tee einladen würde, um ihre ganz persönliche Geschichte anzuhören.
Einfach frei heraus erzählt. Nicht als Rechtfertigung, nicht beispielgebend. Einfach einmal hören, wie eine Frau denkt, die sich nicht vom Strom des westlichen Erscheinungsbildes mitreißen lässt. Natürlich würde ich das nie tun, das mit dem Einladen. Zum einen geht es mich nichts an, zum anderen bin ich ohnehin viel zu schüchtern – oder zu gut erzogen – um fremde Frauen auf der Straße einfach anzusprechen.
Aber wenn, ja wenn, dann würde ich nur still zuhören. Würde nichts besser wissen wollen, würde sicher kein Unverständnis zeigen, würde nicht von Unterdrückung faseln oder sonstige halbgaren westlichen Weisheiten verkünden.
Abends, am Heimweg, wieder im Verkehrsstau steckend, kam mir dann folgende Idee in den Sinn: Wie wäre es mit einer kleinen Serie mit dem Namen: “Erzähle mir von deinem Kopftuch”. Hier bei The Intelligence. Denn wie gesagt, ich würde es nie wagen, eine völlig fremde Frau in ein Café einzuladen. Und dann noch plump auf ihre persönlichen Entscheidungen, wie das Tragen oder eben Nicht-Tragen eines Kopftuches, anzureden. Aber hier kann ich eine Einladung aussprechen. Jede Frau kann in Ruhe schreiben, ohne unterbrochen zu werden und ohne Zwang zu Rechtfertigungen. Und wir Leser können, im übertragenen Sinne, still zuhören. Und würden uns verpflichten, nicht zu kommentieren.
Erzähl mir von deinem Kopftuch: Nein, dass muss keine religiöse Rechtfertigung sein. Auch keine Glaubensdebatte, das bitte auf keinen Fall. Auch keine Argumentation für oder gegen das Tragen eines Kopftuches. Das Erzählen an sich ist viel wertvoller. Teile einfach mit uns, was dich dazu bewegt, wie du dich fühlst. Ganz vertraulich und anonym. Vielleicht eine Geschichte über die Oma, die man nur mit Kopftuch kannte, die so wunderbar kochen konnte und noch viel schöner Geschichten erzählen. Vielleicht etwas über den strengen Vater, den man trotzdem liebt, aber dem man einmal wünschen würde, im Tschador bei 42 Grad durch ganz Kairo zu laufen. Vielleicht auch etwas darüber, warum man sich mit einem Kopftuch auch wohler fühlen kann. Vielleicht etwas darüber, wie man sich als Frau fühlt, wenn man weiß, wie sehr sich der geliebte Mann abends zuhause darauf freut, das wunderschöne Haar seiner Frau zu sehen. Vielleicht die Geschichte einer europäischen Frau und ihren Erfahrungen mit dem völlig ungewohnten Tragen des Kopftuches. Vielleicht die Geschichte einer jungen Dame, die sich ganz für sich selbst dazu entschieden hat, obwohl ihre Mutter es nie getragen hat. Vielleicht etwas ganz anderes, was mir jetzt einfach nicht einfällt.
Ich wählte für den Titel das vertrautere DU ganz absichtlich. “Erzählen Sie mir von Ihrem Kopftuch” schafft Distanz. Und die sollte man ja, beim gemeinsamen Tee trinken und zuhören, nicht unbedingt haben.
Und nun, es war tatsächlich ernst gemeint, meine, oder besser unsere, Einladung an alle Frauen, die es möchten: “Erzähle mir von deinem Kopftuch!“ … Die Leser von The Intelligence hören zu, schweigen und lernen.
Deinen Namen veröffentlichen wir nur auf ausdrücklichen Wunsch. Natürlich, wenn du willst, kannst du uns auch ein Foto von dir schicken. Möchtest du aber völlig anonym bleiben und ersetzt deinen Herkunftsort durch einen anderen, veränderst dein Alter und ähnliches, dann haben wir völliges Verständnis dafür. Um deine Deutschkenntnisse mach dir keine Sorgen. Kleine Fehler bessern wir gerne aus und – außerdem – wenn du es vorziehst, dich in deiner Muttersprache auszudrücken, zumindest türkisch, persisch und arabisch (bitte als PDF-Datei – der Schriftzeichen wegen) können wir übersetzen. Wir bedanken uns schon einmal vorab für jegliche Zuschrift.
Den Text bitte per Email senden an: redaktion [ät] theintelligence.de
Bereits eingetroffene Erzählungen zum Thema “Erzähle uns von Deinem Kopftuch” finden Sie hier.
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